Aktive Ankaufspolitik zum Aufbau einer strategischen Grundstücksreserve

42. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 23. Mai 2019

Steffen Zillich (LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Goiny! Wenn wir ein kommunales Vorkaufsrecht von Wohnungen in Milieuschutzgebieten nutzen, dann ist das natürlich kein Instrument strategischer Grundstückspolitik, sondern das ist ein stadtentwicklungspolitisches Instrument, es steht ja auch im Baugesetzbuch, weshalb wir das nutzen. Das hat möglicherweise einen Effekt, der auch grundstückspolitisch interessant ist, aber was die Motivation und Begründung betrifft, ist es ja erst mal nichts, was zu diesem Antrag gehört. Nur damit man die Argumente hier nicht so durcheinanderbringt.

Die Stadt wächst, mit ihr die Anforderungen an die Liegenschaftspolitik.  Wir brauchen immer mehr Flächen für die Funktionen der Stadt und gleichzeitig geraten die bestehenden Angebote der sozialen Infrastruktur überall dort unter Druck, wo sie vom Markt abhängen. Jeder kennt Beispiele, wo steigende Mieten und Verwertungsdruck auf Grundstücken dazu führt, dass soziale, dass kulturelle Angebote nicht mehr aufrechterhalten werden können. Natürlich gilt Gleiches im Grundsatz auch für die strategischen Entwicklungsflächen der Stadt, für Grünflächen, für Frischluftschneisen, für Infrastrukturbedarfe.

Der öffentliche Grund und Boden erhält also eine immer größere Bedeutung für die Entwicklung der Stadt, und er ist ein natürlich begrenztes Gut. Normale Marktbeziehungen können hier schon deshalb nicht die Lösung sein, weil das Angebot eben nicht der Nachfrage folgen kann. Die Verfügungsmöglichkeiten über Grund und Boden sind aber entscheidend und ganz maßgeblich für die Entwicklungsmöglichkeiten einer Stadt. Wir wollen, dass sich diese Entwicklung am Gemeinwohl orientiert, und wir wollen deshalb eine weitgehend öffentliche Hoheit über den Grund und Boden.

Daraus ergeben sich für uns drei bodenpolitische Grundsatzentscheidungen. Erstens: Wir wollen grundsätzlich keinen öffentlichen Grund und Boden mehr verkaufen.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Hier sind, das haben Sie angedeutet, die ersten Schritte zur Abkehr von der Politik des Notverkaufs in einer Haushaltsnotlagestadt in den vergangenen Jahren, auch in vergangenen Koalitionen, gegangen worden. Wir führen das fort. Wir werden hier immer konsequenter. Aber, wir haben auch eine besondere Erfahrung in Berlin, gerade in Berlin. Noch vor zehn, vor 15 Jahren fand die Einschätzung breite Unterstützung, dass es sehr wohl sinnvoll ist, nicht mehr gebrauchte Grundstücke zu verkaufen und darüber einen Finanzierungsbeitrag für öffentliche Aufgaben zu leisten. Es bestand auch große Einigkeit darin, dass wir an Grundstücken im Moment keinen Mangel haben. Zehn, 15 Jahre später hat sich die Einschätzung grundlegend geändert, hat sich die Situation grundlegend geändert, aber die Grundstücke sind eben auch ganz grundlegend weg. Das bedeutet, dass wir in einer solchen Situation, gerade auch auf der Grundlage dieser Erfahrung, eine Liegenschaftspolitik betreiben müssen, die in dem Bewusstsein erfolgt, dass die Entscheidungen im Hier und Heute Auswirkungen haben. Wir wollen deswegen das Prinzip, öffentlichen Grund und Boden nicht mehr zu verkaufen, gesetzlich fixieren. Wir wollen ein Bodensicherungsgesetz, das auch das mittelbare Landesvermögen von Stiftungen und Körperschaften und Unternehmen umfassen soll.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

Die zweite Grundsatzentscheidung: Wir können liegenschaftspolitisch nicht mehr von der Hand in den Mund leben und nur das öffentliche Eigentum betrachten, das wir unmittelbar brauchen. Wir benötigen also eine aktive Bodenvorratspolitik.

Der dritte Punkt: Wir brauchen, um das alles zu gewährleisten, eine aktive Ankaufspolitik. Das alles müssen wir begleiten mit einer Transparenzoffensive im gesamten Feld dieser Politik. Nicht wenig wird in das Potenzial der landeseigenen Liegenschaften immer noch hineingeheimnisst. An vielen Stellen fehlt tatsächlich der Überblick. Die Stadtgesellschaft muss die Potenziale der Entwicklung der Stadt einschätzen können. Das braucht Öffentlichkeit, das braucht Beteiligung.

Die vorliegende Beschlussempfehlung betrifft vor allen Dingen die Punkte Vorrats- und Ankaufspolitik. Hier müssen wir einerseits immer wieder die haushaltsmäßigen Voraussetzungen schaffen, aber neben der Bereitstellung von Haushaltsgeld wollen wir auch darüber reden, wie wir Investitionen in den Ankauf von Grund und Boden über Kreditaufnahmen finanzieren können.

Es geht um folgende Punkte: Erstens: Wir brauchen eine bessere Hinterlegung von Fachbedarfen für eine aktive Ankaufspolitik. Wir brauchen darüber hinaus aber auch eine Ankaufspolitik, die Reserveflächen über den unmittelbaren Fachbedarf hinaus in den Blick nimmt. Wir brauchen also eine Prüfung, ob etwas aus stadtentwicklungspolitischer Sicht als Reservefläche geeignet ist, neben der Prüfung, ob unmittelbar ein Fachbedarf besteht.

Zweitens: Wir brauchen ein Instrument für die Ankaufspolitik. Einerseits wollen wir das SODA dafür als Vermögenspool weiterentwickeln und andererseits brauchen wir dafür auch ein effektives Entscheidungsregime. Das ist eine Herausforderung. Es steht sowohl die Frage im Raum, wie die Ressourcensteuerung stattfinden soll, als auch die Frage, wie wir einen kurzfristigen, effizienten und immer gelegenheitsbezogenen Prozess gestalten wollen, und wer darin einbezogen werden soll.

Mit diesem Antrag beauftragen wir den Senat, einen wichtigen Baustein zur Weiterentwicklung der Liegenschaftspolitik konzeptionell zu untersetzen. Weitere werden folgen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]