Kein Kind soll mehr aussortiert werden

Jede Oberschule soll alle Abschlüsse anbieten können und es soll Teilungs- und Förderstunden geben.

50. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 16. Wahlperiode zum Antrag »Finanzierung von Schulen über Schüler-Vollkostensätze: mehr Transparenz und Bildungsgerechtigkeit«, in Verbindung mit den Dringlichen Beschlussempfehlungen »Verunsicherung der Lehrer, Eltern und Schüler sofort beenden – keine Änderung der Schulstruktur am Parlament vorbei«, »Planungssicherheit statt Schulschließungen« und »Weiterentwicklung der Berliner Schulstruktur«

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU vermisst schmerzlich ein Gesamtkonzept. Das ist aus Oppositionssicht gesprochen, natürlich ein relativ wohlfeiler Weg zu sagen: Bevor Ihr aber eine kleine Veränderung angeht, müsst Ihr erst einmal ein Konzept erarbeiten, das den gesamten Bereich in Anspruch nimmt und alles gleichzeitig ändert. Sie glauben selbst nicht daran, denn interessanterweise haben Sie in Ihrem Konzept der Veränderung der Sekundarstufe zum Thema Kita und zum Thema Grundschule auch nichts gesagt. Insofern ist dieser Vorwurf an uns vielleicht nicht wirklich gerechtfertigt.

[Mieke Senftleben (FDP): Sprechen Sie mich an?]

– Nein! Ich spreche Herrn Steuer an. – Dann sage ich aber gern auch noch einen Satz zu Ihrem Antrag, Frau Senftleben. Der Antrag mit den Schülervollkostensätzen nimmt ein Problem auf. Es ist eine Alltagserfahrung insbesondere für Schulpolitiker, dass man um die Ausstattung von Schulen ringt.

[Mieke Senftleben (FDP): Der Finanzsenator bestimmt das!]

Dass dies nicht immer logisch stattfindet, sondern von politischen Kompromissen geprägt ist, dass es davon geprägt ist, wie man sich durchsetzen kann, dass es dort Schwierigkeiten gibt, ist alles völlig klar. Ich verstehe nur Ihre Zuversicht nicht, dass eine irgendwie außerhalb der Welt gelagerte Institution, die völlig frei von Interessen und Meinungen ist, ganz plötzlich unabhängig ausrechnet, was ein Schüler eigentlich braucht, wenn ich plötzlich Schülervollkostensätze nehme. Das ist ein Irrtum. Das ist eine Illusion.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir werden nicht umhin kommen, dass es eine politische Entscheidung ist, wie wir die Schulen ausstatten wollen. Wir werden nicht umhin kommen, dass es eine politische Entscheidung und immer ein Aushandlungsprozess ist, woher wir die Ressourcen bekommen. Es gibt keine objektive Basis dafür. Es gibt nur einen anderen Weg, dies zu tun. Das tun wir mit unserem Antrag.

Das Parlament wird heute ein Konzept für eine Schulstrukturreform beschließen. In diesem Konzept für die Eckpunkte der Schulstrukturreform machen die Koalitionsfraktionen nicht das, was Sie von uns verlangen, nämlich zusagen, um wie viel 3 Cent oder 1,50 Euro sollen die Schülervollkostensätze steigen. Wir definieren Standards und Kriterien, die für diese Schule gelten sollen. Wir sagen, diese Schule soll eine integrative arbeitende Schule sein. Wir sagen, was der inhaltliche Anspruch dieser Schule ist. Das will ich noch einmal ins Zentrum stellen, weil es leider in der Debatte weitestgehend zurückrückt.

Der Kern dieser Schulstrukturreform ist, dass zukünftig alle weiterführenden Schulen alle Abschlüsse anbieten sollen. Der Kern dieser Schulstrukturreform ist, dass die Aufteilung auf Lebenswege nach der Grundschule entfällt. Der Kern ist, dass im Alter von elf Jahren nicht mehr entschieden und keine Aufteilung mehr vorgenommen werden muss: du wirst Akademiker, du wirst Facharbeiter und du hast eigentlich keine Chance. Die Frage, was mein Kind später werden soll und auf welche Schulform es gehen muss, wird es nicht mehr geben. Das ist der Kern der Schulstrukturreform. Das führt zu mehr Qualität. Das führt auch zu einem ganz wichtigen Punkt, nämlich zu einem Abbau von Selektion im Schulsystem.

Wir sagen auch, nach welchen Standards das stattfinden soll. Wir sagen, dass diese Schule die gleichen Abschlüsse und die gleichen Standards anbieten soll. Wir sagen, mit welcher Ausstattung das stattfinden soll. Dies soll sich nicht nach Schülervollkostensätzen richten, sondern sagen: 25 je Klasse. Wir sagen, es soll zusätzlich Teilungs- und Förderstunden geben. Wir sagen, es soll zusätzlich Ganztagsbetrieb geben. Wir sagen, es soll zusätzlich eine Ausstattung für praktisches Lernen geben. Wir sagen, es soll eine zusätzliche Ausstattung für Schulen in Brennpunkten geben.

Genau das sind die pädagogischen Anforderungen, die wir damit formulieren und die der Senat jetzt, nachdem wir ihm dieses Konzept vorgelegt haben, umsetzen soll. Er hat jetzt die Aufgabe, dies vernünftig entsprechend dieser Vorgabe umzusetzen. Das wird keine einfache Aufgabe. Ich sage noch einmal, dass ein ganz zentraler Punkt in diesem Zusammenhang sein wird, inwieweit es gelingt, ein Leitbild dieser Schule zu kommunizieren. Auch dazu ist der Senat beauftragt. Ebenfalls ein Punkt wird es sein zu sehen, inwieweit es gelingt, Lehrerinnen und Lehrer, Schulen, Eltern mitzunehmen und tatsächlich Angebote für Schulentwicklungen zu unterbreiten, indem wir sagen, dass es für jede Schule individuell ein Fortbildungs- und Entwicklungsprogramm geben muss, damit die Schulen sehen können, wo sie stehen und was sie noch benötigen, um diesen Weg zu entwickeln und entsprechende Angebote unterbreiten zu können.

Wenn wir das geschafft haben, wenn wir entsprechend dieser Vorgaben eine Schulstrukturreform umsetzen können, werden wir einen großen Schritt auf dem Weg die Lehren aus PISA zu ziehen vorangegangen sein und einen Beitrag für weniger Selektion im Schulsystem zu geben. Wir werden große Elemente der Gemeinschaftsschule in die Fläche umgesetzt haben, aber trotzdem entsprechend dem Ziel verfahren, in dem sich die Koalition einig ist, zu einer nicht auslesenden Schule zu kommen, sondern vielmehr zu einer Schule zu kommen, die dem Bild der Gemeinschaftsschule entspricht.

Es wird so sein, dass wir die Pilotphase der Gemeinschaftsschule, die Möglichkeit der Schulen, sich auf direktem Weg zu nicht auslesenden Schulen von Klasse 1 bis Klasse 10 bzw. bis zum Abitur zu entwickeln, erweitern.

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns:

Herr Kollege!

Steffen Zillich (Linksfraktion):

– Ich bin beim letzten Satz. – Wir werden diese Schulen stärken. Wir werden sie auch rechtlich für die Zukunft absichern. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]