Schülerdatei ist gut für Schulen

Steffen Zillich

Die Datei soll helfen, die Organisation in den Schulen zu verbessern. Eine Vernetzung der Daten mit anderen Behörden wird es nicht geben.

42. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 16. Wahlperiode in der II. Lesung zu »Gesetz zur automatisierten Schülerdatei«

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Man konnte jetzt in den Redebeiträgen der Opposition so ein bisschen begutachten, welche Projektionen mit dieser Datei jeweils verbunden sind. Herr Steuer! Ich muss Sie leider belehren, es wird nicht möglich sein, mit dieser Datei Fehlzeiten von Schülerinnen und Schülern zentral zu erfassen.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)
und Özcan Mutlu (Grüne)]

Dazu ist sie auch nicht da. Herr Kollege Lux! Zu Ihnen muss ich auch noch ein Wort sagen: Es gibt wirklich gute Gründe, bei einer solchen Datei skeptisch zu sein.

[Özcan Mutlu (Grüne): Ja, dann lehn es ab!]

Es gibt gute Gründe, vernünftig abzuwägen. Aber ein Beitrag dazu ist nicht, was Sie hier gemacht haben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

So ziemlich kein Satz von dem, was Sie gesagt haben, stimmte. Ich muss an der Stelle wieder einmal meine Oma zitieren, die immer völlig richtig gesagt hat: Du redest, wie du es verstehst, und das ist nicht doll.

[Beifall und Heiterkeit bei der Linksfraktion und der SPD]

In der Tat geht es bei dem Gesetz zentral um eine Verbesserung der Schulorganisation. Es geht darum, Ausstattung transparenter und genauer zu machen. Dass das nötig ist, dürfte hier keiner bestreiten, weithin in Berlin nicht. Es geht darum, Planungsprozesse genau und transparent zu gestalten, sie auf einer aktuellen und zutreffenden Datengrundlage zu gestalten. Und es geht darum, in Zukunft zu vermeiden, dass Doppelanmeldungen und falsche Angaben die Planungssicherheit erschweren, die die Schulen für ihre pädagogische Arbeit brauchen. Die Schulverwaltung soll in die Lage versetzt werden, genau nachzuvollziehen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer und wie viele Erzieherinnen und Erzieher eine Schule braucht. Sie ist dann natürlich auch in der Pflicht zu reagieren, wenn Pädagogen fehlen. Schulen sollen davon entlastet werden, wieder und wieder Berichte schreiben zu müssen und doch nicht davon ausgehen zu können, dass Entscheidungen, die über sie getroffen werden, auch tatsächlich auf der Grundlage der von ihnen gelieferten Daten erfolgen.

Es ist schon angesprochen worden: In der Tat ist bei einer solchen Datei Misstrauen angebracht. Deswegen haben wir die Debatte sehr intensiv geführt. Und wir haben sehr genau geprüft. Wir haben zentrale Kritikpunkte aufgegriffen und entsprechende Änderungen vorgenommen. Ein zentraler Kritikpunkt war die Zusammenführung besonders sozialsensibler Daten. Nun ist es so, dass wir die Schulen in Berlin ausstatten nach der Anzahl der Kinder mit Migrationshintergrund, nach der Anzahl der Kinder, die aufgrund der sozialen Situation in ihren Familien von der Zuzahlung zu Lernmitteln befreit sind. Deswegen müssen diese Daten an den Schulen erhoben werden, und deswegen werden sie jetzt erhoben. Aber es ist nicht nötig, in der Schulverwaltung zu wissen, auf welchen Schüler, auf welche Schülerin so etwas konkret zutrifft. Deswegen haben wir in das Gesetz eine Regelung aufgenommen, die die Zusammenführung, Speicherung, ja jegliche Form der Verarbeitung dieser Daten außerhalb der konkreten Schule in personalisierter Form ausschließt.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Zweiter Kritikpunkt war die Auskunftserteilung an die Polizei. Hier haben wir eine Regelung gefunden, die klarstellt: Es erfolgt kein Abgleich mit anderen Behörden, weder mit der Polizei noch mit der Ausländerbehörde noch mit der Meldebehörde noch mit irgendjemandem sonst. Im Gegenteil! Auskünfte an die Ausländerbehörde sind ausgeschlossen. Für Auskünfte an die Polizei gilt das, was hier schon dargestellt worden ist, nämlich nur im Einzelfall und nur der Name der Schule. Wir haben eine Regelung gefunden, von der der Berliner Datenschutzbeauftragte in der Ausschussanhörung gesagt hat, dass dadurch für ihn kein realistisches Risiko bestünde, dass über diese Datei eine Rasterfahndung durchgeführt werden könnte, und dass dies nach seiner Auffassung auch nicht zulässig wäre.

Zum Dritten haben wir in der Koalition klargestellt und aufgenommen, dass wir natürlich wollen, dass trotz der schwierigen gesetzlichen Lage auf Bundesebene, die dringend geändert werden muss, Kinder ohne Aufenthaltsstatus ein Recht auf Bildung haben. Deswegen wird gegenüber den Schulen klargestellt – das haben wir in der Koalition besprochen –, dass erstens diese Datei kein Fahndungsinstrument nach Illegalisierten sein kann – sie taugt dazu nicht – und dass zweitens Aufenthaltsstatusdaten an den Schulen und darüber hinaus weder erhoben noch weitergegeben noch an irgendwen gemeldet werden.

[Beifall bei der Linksfraktion –
Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Zum Vierten: Wir haben im Verfahren alle Anregungen des Datenschutzbeauftragten aufgenommen.

Gerade in meiner Partei und in meiner Fraktion haben wir es uns nicht einfach gemacht, diese Entscheidung zu treffen. Aber wir sind zu einer Entscheidung gelangt, die ich hier vertrete. Ich kann Ihnen versichern, dass die Debatte in meiner Fraktion und in meiner Partei bedeutend sachlicher und kenntnisreicher gelaufen ist, als sie zumindest heute an dieser Stelle gelaufen ist.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Ich halte es für eine Stärke ––

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Herr Zillich! Ich weise darauf hin, dass Ihre Redezeit beendet ist. Bitte kommen Sie zum Schluss!

Steffen Zillich (Linksfraktion):

Ich komme zum Schluss. – Ich halte es für eine Stärke, dass wir dazu in unserer Fraktion unterschiedliche Auffassungen haben, denn der Gesetzentwurf ist dadurch besser geworden, dass Bedenken und Kritikpunkte berücksichtigt worden sind.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Sehr geehrte Damen und Herren!

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Herr Zillich! Bitte kommen Sie jetzt zum Schluss!

Steffen Zillich (Linksfraktion):

Wir erteilen keinen Blankoscheck. Wir tun in dieser Datei nur das, was notwendig ist, um die Ziele zu erreichen. Ich bitte deswegen um Ihre Zustimmung.

[Beifall bei der Linksfraktion –
Vereinzelter Beifall bei der SPD]

 

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zillich! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Lux. – Bitte sehr!

Benedikt Lux (Grüne):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Zillich hat gerade gesagt, kein Satz von dem, was ich gesagt habe, stimmte. Das ich meine Sätze absichtlich wähle, habe ich mich mittelbar als Lügner bezeichnet gefühlt.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Deswegen würde ich gerne kurz die Gelegenheit ergreifen, um zu entgegnen: Es war so ziemlich jeder Satz wahr, den ich gesagt habe.

[Martina Michels (Linksfraktion):
Kindergarten, kleine Gruppe!]

Sie erheben Daten von jeder Schülerin und von jedem Schüler in diesem Land, darunter eine Menge sensitiver Daten. Und sie erheben eine Fülle von Daten in einer zentralen Datei, ohne die Strukturen vor Ort jeweils zu stärken. Sie wissen überhaupt nicht, wie die Schulen vor Ort das bewältigen sollen. Wer soll das mit welchen Mitteln machen? Wie sicher sind diese Daten? All diese Fragen konnten Sie nicht beantworten. Zu Ihren glorreichen Veränderungen, die Sie eingebracht haben: Getretener Quark wird breit, nicht stark.

[Beifall bei den Grünen –
Zurufe von der SPD und der Linksfraktion] 

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lux! – Herr Zillich möchte antworten und hat dazu die Gelegenheit. – Bitte sehr!

Steffen Zillich (Linksfraktion):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will hier nicht das Spiel spielen: Ja, nein, doch, ja, nein!

[Heiterkeit bei der Linksfraktion]

Die Kurzintervention gibt mir die Gelegenheit, noch mal anzumerken, dass die Grünen ursprünglich einen Änderungsantrag gestellt hatten, den sie dann im Verfahren zurückgezogen haben, wahrscheinlich weil sie der Auffassung waren, sie müssten jetzt, möglicherweise auch aufgrund der Debatten in der Koalition, mit einer anderen Grundeinstellung an dieses Gesetz herangehen.

[Zurufe von den Grünen –
Özcan Mutlu (Grüne): Die Anhörung hat gezeigt, dass diese Datei Schwachsinn ist!]

Zum Zweiten gibt mir das noch die Gelegenheit, auf einen Punkt einzugehen, der den Änderungsantrag der CDU, aber auch unseren Änderungsantrag betrifft.

[Benedikt Lux (Grüne): Warum ist
der Flüchtlingsrat eigentlich dagegen?]

Erster Punkt zum Änderungsantrag der CDU: Selbstverständlich ist es notwendig und erwarten wir – das schreibt das Berliner Datenschutzgesetz vor –, dass vor Inkrafttreten der Datei die notwendigen Verordnungen ergangen sind und ein Sicherheitskonzept mit Zustimmung des Datenschutzbeauftragten vorliegt. Bevor diese Datei ans Netz geht, muss es das geben. Nur ist das Problem, dass erst auf der gesetzlichen Grundlage, die wir hier schaffen, eine solche Verordnung und ein solches Sicherheitskonzept tatsächlich erstellt werden können. Deswegen geht der Schritt, den Sie vorschlagen, in dieser Form nicht. Aber wir werden es brauchen, und vorher wird diese Datei auch nicht ans Netz gehen.

Letzter Punkt zu dem, was wir als Koalition als Änderung beantragt haben: Wir nehmen einen rechtstechnischen Hinweis des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes und der Justizverwaltung auf. Wir bitten um Zustimmung. Rechtstechnik ist immer wichtig und immer gut. Ich will aber diese Bitte mit der Erwartung in der Sache verbinden, dass die Senatsverwaltung – wie von uns ursprünglich gefordert – eine Vereinbarung mit den Trägern der Schulen herstellt. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion –
Vereinzelter Beifall bei der SPD]