Schulstruktur wird verbessert

Steffen Zillich

In der Sekundarschule wird länger gemeinsam gelernt. Das Abitur soll gleichwertig mit dem des Gymnasiums sein, die Lehr- und Lernkultur soll verbessert werden und Schulen in Problemkiezen soll besser ausgestattet werden.

47. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 16. Wahlperiode zum Antrag »Massive Verunsicherung in Berlin beenden – Schulstrukturvorschlag sofort vorlegen!«

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der CDU hat zwei Teile. Im ersten Teil wird der Senat aufgefordert, ein Konzept vorzulegen, das dann im Parlament diskutiert werden kann. Dazu ist zunächst zu sagen, dass der Senat einen Vorschlag zu einer Schulstrukturreform vorgelegt hat. In der Stadt und im Parlament wurde und wird darüber diskutiert. Jetzt einen Antrag zu stellen und zu sagen, der Senat solle noch einmal einen Bericht machen, ist nicht das, was wir jetzt brauchen. Jetzt ist es vielmehr Sache und Verantwortung des Parlaments zu sagen, wie und in welcher Form diese Schulstrukturreform ausgestaltet werden soll.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sie wissen, dass die Koalition in den nächsten Tagen einen Antrag einbringen wird – Frau Tesch hat das dargestellt –, in dem die Eckpunkte, die den Rahmen dieser Schulstrukturreform bilden sollen, dem Abgeordnetenhaus zum Beschluss vorgelegt wird. Sie wissen auch, sehr geehrter Herr Steuer, dass heute Vormittag zwischen allen Fraktionen die Tagesordnung für die nächste Ausschusssitzung vereinbart worden ist. Es wurde festgelegt, dass in der nächsten Sitzung die Schulstrukturreform auf der Tagesordnung steht. Sie wissen also, dass in jedem Fall bei der nächsten parlamentarischen Gelegenheit im Ausschuss darüber beraten und beschlossen wird. Egal, wie man mit dem Antrag umgeht – ob man ihn annimmt oder nicht, sofort abstimmt oder überweist –, die von Ihnen angemahnte parlamentarische Beratung und Entscheidung steht bei der nächsten Gelegenheit im Ausschuss sowieso auf der Tagesordnung. Der Antrag ist demnach in seinem ersten Teil bestenfalls folgenlos und überflüssig, und solchen Anträgen kann man nicht zustimmen.

Nun komme ich zum zweiten, zum inhaltlichen Teil Ihres Antrags.

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Entschuldigung, Herr Zillich! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Steuer?

Steffen Zillich (Linksfraktion):

Ja, gerne!

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Dann haben Sie das Wort. – Bitte sehr, Herr Steuer!

Sascha Steuer (CDU):

Herr Zillich! Sind Sie tatsächlich der Auffassung, dass eine so weitreichende Schulstrukturreform ohne eine umfangreiche Vorlage des Senats und ohne eine Schulgesetzänderung und nur durch einen kleinen Antrag der Koalition umgesetzt werden kann?

Steffen Zillich (Linksfraktion):

Nein, Herr Steuer, selbstverständlich nicht! Aber bevor wir ein Schulgesetz ändern, geht es erst einmal darum, im Parlament einen Beschluss darüber zu fassen. – Das haben Sie doch beklagt. – Genau das werden wir tun. Wir werden sagen, wohin es gehen soll, was die Eckpunkte, Ziele und Rahmenbedingungen sein sollen und wie es ausgestaltet werden soll, darum wird es in der nächsten Ausschusssitzung gehen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Nun komme ich zum zweiten Teil Ihres Antrags, in dem Sie versuchen, Eckpunkte zu benennen. Er steht in einem merkwürdigen Verhältnis zu Ihrem Antrag auf Sofortabstimmung hier. Es scheint nicht der wichtigste Teil Ihres Antrags zu sein. Sie scheinen an einer wirklichen Debatte nicht interessiert zu sein.

Uns geht es mit dieser Schulstrukturreform darum, mehr und bessere Abschlüsse zu erreichen. Es geht darum, mehr Kinder bis zum Abitur zu führen und den Anteil derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, deutlich zu reduzieren. Es geht um mehr Gerechtigkeit und darum, die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft zu überwinden. Die Schulstrukturreform muss deshalb ein Schritt in Richtung eines nicht auslesenden Schulsystems sein, ein Zwischenschritt auf dem Weg der Überwindung der Gliederung des Schulsystems hin zu einer Schule des individuellen Lernens, die dem Selbstverständnis der Berliner Gemeinschaftsschulen entspricht. Wir werden mit dieser Reform die erfolgreichen Berliner Gemeinschaftsschulen stärken, in denen die Idee des gemeinsamen Lernens von der ersten bis zur zehnten Klasse beziehungsweise bis zum Abitur direkt umgesetzt wird. Wir werden ihre Zahl erhöhen und sie rechtlich absichern. Neben diesen und den Förderschulen, die sich in Zukunft immer mehr zu Unterstützungszentren der Inklusion des gemeinsamen Unterrichts entwickeln sollen, werden wir in der Sekundarstufe dann noch zwei Schultypen haben: die integrierte Sekundarschule und das Gymnasium.

Dabei sind uns vier Punkte wichtig. Der erste Punkt ist die Gleichwertigkeit. Dieser Punkt ist zentral, denn wir müssen eine Situation verhindern, in der diese neue integrierte Sekundarschule komplementär zum Gymnasium ist. Es darf nicht darum gehen: gute Schüler aufs Gymnasium, der Rest auf die Sekundarschule. Es geht uns um eine Gleichwertigkeit. Alle Abschlüsse bis zum Abitur – in 12 und 13 Jahren – müssen auf der integrierten Sekundarschule erreicht werden. Es muss dort deswegen auch um die gleichen Lernvolumina gehen. Es muss um die gleichen Standards gehen, und es muss explizit darum gehen, dort auch Spitzenleistungen hervorzubringen und zu fördern. Natürlich geht es auch darum, dass, wenn diese Schulen gleichwertig sein sollen, es auch kein Abschulen mehr geben darf, kein zwangsweises Wegschicken von der einen zur anderen Schule.

Der zweite Punkt, der uns ganz wichtig ist: Es muss um eine neue Lehr- und Lernkultur gehen und um eine bessere Qualität. Es geht nicht nur um das Zusammenlegen von Haupt- und Realschule unter einem Dach, sondern um mehr individuelles Lernen, um Binnendifferenzierung, um mehr individuelle Förderung und um weniger äußere Leistungsdifferenzierung.

Wir sind froh, dass wir jetzt mit dem, was der Senat beschlossen hat, eine gute Grundlage für die – ganztägige – Ausstattung, die als dritter Punkt zu benennen wäre, haben. Die Senkung der Klassenfrequenz ist auch ein ganzer Punkt. Und es ist gut, dass Schulen in Brennpunktgebieten besser ausgestattet werden, und zwar entsprechend ihrem Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund und aus armen Familien.

Vierter Punkt: Es ist ganz wichtig, dass diese Schulreform durch ein schulbezogenes Fortbildungsprogramm, durch eine Veränderung der Lehrerausbildung, die wir angestoßen haben, begleitet wird.

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Herr Zillich! Ihre Redezeit ist beendet.

Steffen Zillich (Linksfraktion):

Noch einen Schlusssatz?

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Okay!

Steffen Zillich (Linksfraktion):

Wir werden in der nächsten Ausschusssitzung darüber beraten und darüber beschließen, und wenn Sie hier auf eine Sofortabstimmung bestehen, werden wir das ohne Ihren Antrag tun.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]