Schulweg hat Vorrang

Die Nähe des Wohnortes zur Grundschule hat Vorrang bei der Auswahl. Das ist im Schulgesetz auch so geregelt.

36. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 16. Wahlperiode zur I. Lesung »Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes I (Änderung der Aufnahmeregelung für die Grundschule) und »Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes II (Änderung der Aufnahmeregelung für die Sekundarstufe I)«

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Manchmal versteht man die Aufregung nicht. Die Grünen haben zwei Gesetzesanträge vorgelegt – die man im Verfahren vielleicht noch zu einem zusammenfassen kann, um das zu vereinfachen –, die Regelungen für Dinge vorschlagen, die einer Neuregelung bedürfen. Ich kann deshalb vorwegnehmen, dass wir sie im Ausschussverfahren wohlwollend prüfen werden. Sie greifen Punkte auf, die auch aus unserer Sicht änderungsbedürftig sind.

[Beifall von Özcan Mutlu (Grüne)]

Im Einzelnen: Zum ersten Antrag, der die Zugangsmöglichkeiten zur Grundschule behandelt, hatten wir umfangreiche und teilweise auch sehr ideologische Diskussionen – die jetzt teilweise nachgespielt werden –, um die Frage, ob es Einzugsbereiche geben darf oder nicht. Für uns hat diese Debatte einen ganz wichtigen inhaltlichen Kern, nämlich die Frage, ob man aus der Wohnortnähe zu einer Schule bzw. der Länge des Schulwegs einen Vorrang in der Schulwahl ableiten darf. Soll dieses Kriterium bei der Schulwahl vorrangig vor anderen Kriterien sein? – Wir beantworten diese Frage mit Ja. Das ist derzeit auch im Schulgesetz so geregelt. Nach einer langen Debatte haben wir – so war mein Eindruck –, zumindest was den inhaltlichen Kern betrifft fraktionsübergreifend diesen Vorrang festgestellt.

Dieser Punkt wird von der Regelung, die die Grünen angesprochen haben, gar nicht berührt. Es geht um eine andere Frage, nämlich darum, ob mehrere Schulen einen gemeinsamen Einzugsbereich haben sollen. Das wurde bislang bejaht. Die zuständige Verordnung enthielt eine entsprechende Ermächtigung der Bezirke. Nun kam ein Gericht, das festgestellt hat, das eine Regelung in der Verordnung nicht reicht. Vielmehr müsse eine gesetzliche Regung geschaffen werden. – Dann sollten wir das tun.

Es gibt zwei kleinere Punkte, die wir in diesem Zusammenhang besprechen sollten:

Das ist erstens die Frage, wie groß ein solcher gemeinsamer Einzugsbereich mehrer Schulen sein soll.

[Mieke Senftleben (FDP): Einen Quadratkilometer!]

Wollen wir dafür eine Regelung treffen? Wir sollten zumindest darüber nachdenken. Zum zweiten interessiert mich, was der Zweck eines solchen Einzugsbereichs ist. Geht es in der Tat darum, zwischen unterschiedlichen Schulprofilen wählen zu dürfen oder geht es darum, die Konkurrenz zwischen Schulen stattfinden zu lassen. Darüber sollten wir reden.

Ich komme zum zweiten Antrag. Auch hier gibt es in der Tat einen Regelungsbedarf, der aber nicht so sehr die Frage betrifft, die hier diskutiert wird. Alle sind sich einig, so ist auch die Gesetzeslage. Das wird auch durch den Antrag nicht geändert. Bei der Schulwahl in der Sekundärstufe sollen der Elternwille und das Profil der Schule wichtig sein. Das steht am Anfang. Es steht auch immer noch am Anfang, wenn das, was die Grünen vorgeschlagen haben, beschlossen wird.

Es gibt ein Problem bei der Frage, wie das Kriterium der Wohnortnähe, das im Schulgesetz steht, von den Bezirken ausgelegt wird. Es wird nicht nur unterschiedlich ausgelegt sondern es wird auch in einer Weise ausgelegt – BVG-Fahrpläne sind schon genannt worden –, in denen Merkwürdigkeiten in der Steuerung herauskommen. Wir müssen eine transparentere Regelung finden. Es muss erlaubt sein, darüber nachzudenken, inwieweit ein Kriterium der Wohnortnähe, bei Schulen, die in der Regel mit der 7. Klasse anfangen, überhaupt vonnöten sein soll.

Die Konsequenz der Grünen ist eine mutige. Ich gestehe freimütig, dass ich der viel abgewinnen kann. Ich bin mir nur nicht sicher, ob die Grünen sie auch noch so formulieren würden, wenn sie diese Konsequenz immer vor sich her tragen müssten. Das bedeutet nämlich, dass in all den Fällen, die jetzt durch die Presse gegangen sind und in denen es darum ging, dass sich Eltern beklagt haben, dass sie neben der S-Bahn wohnen und das Kind deswegen nicht auf die Schule kommt und dann das Los entscheiden soll. Das ist in der Tat ein gerechtes Verfahren. Das finde ich richtig. Wir müssen uns aber noch einmal tief in die Augen schauen und überlegen, ob wir das gemeinsam politisch durchsetzen. Ich werde darüber nachdenken.

Ich will aber noch über einen weiteren Punkt nachdenken, den ich bei der Frage des Übergangs in die Sekundarstufe für wichtig halte. Wir sollten im Schulgesetz eine Regelung dafür finden, die es Lerngruppenklassen ermöglicht – wenn sie es denn wollen – gemeinsam in die Sekundarstufe überzugehen. Das ist derzeit im Schulgesetz erschwert. Wenn es Kinder gemeinsam wollen, sollten wir es ihnen im Sinne des länger gemeinsamen Lernens ermöglichen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

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