Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung

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Drucksache 17 / 14 960 - Wir fragten den Senat, nach seiner Orientierung zu seinen beschlossenen Regelungen zur kooperativen Baulandentwicklung.

Drucksache 17 / 14 960

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher und Steffen Zillich (LINKE)

vom 17. November 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. November 2014) und Antwort

Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

Frage 1: An welchen nationalen und internationalen Erfahrungen hat sich der Senat bei der Erarbeitung der Ende August 2014 beschlossenen und veröffentlichten Regelungen zur kooperativen Baulandentwicklung orientiert und wie haben die Berliner Bezirke mitgewirkt?

Antwort zu 1: Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen beim Abschluss Städtebaulicher Verträge gemäß § 11 Baugesetzbuch wurden die Vorgehensweise und Erfahrungsberichte verschiedener deutscher Großstädte (z.B. München, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Stuttgart) in die Erarbeitung des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung einbezogen. Die Bezirke sind frühzeitig und regelmäßig in die Erarbeitung der Leitlinien eingebunden worden. Sie haben den Entwurf der Leitlinie zur Verfügung gestellt bekommen und hatten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Die Leitlinie wurde in diversen Besprechungen auf Leitungsund Arbeitsebene abgestimmt und diskutiert, eingegangene Hinweise und Erfahrungen aus den Bezirken wurden entsprechend berücksichtigt.

Frage 2: Warum verzichtet der Senat – anders als in München und Hamburg – auf die Abschöpfung des Planungswertzuwachses in der Bauleitplanung?

Antwort zu 2: Nach § 11 Baugesetzbuch wird beim Abschluss städtebaulicher Verträge mit dem Vorhabenträger eine Beteiligung oder Übernahme von Kosten verhandelt, die Voraussetzung oder Folge seines Bauvorhabens sind (u.a. Übernahme der Planungskosten, Errichtung von Erschließungsstraßen, Bau einer Kindertagesstätte, ggf. Erweiterung einer Grundschule). Andere deutsche Städte, auch München und Hamburg, handeln mit ihren Baulandmodellen genauso. Auch dort wird im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags kein Betrag „abgeschöpft“, sondern der Vorhabenträger auf die Übernahme von Folgekosten verpflichtet. Eine „Abschöpfung“ bezieht sich auf städtebauliche Sanierungsund Entwicklungsmaßnahmen nach § 136 ff. Baugesetzbuch.

Dort wird nach erfolgter Sanierung oder Entwicklung ein Ausgleichsbetrag der/des Eigentümerin/Eigentümers (§ 154 Baugesetzbuch) errechnet, der der sanierungsoder entwicklungsbedingten Bodenwertsteigerung entspricht und von der/vom Eigentümerin/Eigentümer zu zahlen ist.

Frage 3: Für welche Planungsvorhaben mit mehr als 100 Wohnungen sind durch die Bezirke oder den Senat seit 2011 Bebauungsplanverfahren mit begleitenden städtebaulichen Verträgen durchgeführt worden oder noch im Verfahren (bitte nach Bezirken und mit kurzer Projektbeschreibung auflisten)?

Antwort zu 3: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erfasst gerade alle städtebaulichen Verträge, die im Zuge von Bebauungsplänen für Wohnungsbauvorhaben in den letzten Jahren in Berlin geschlossen worden sind, um sie systematisch auszuwerten. Die erbetene Auflistung ist zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht möglich.

Frage 4: Wie soll die Nichteinhaltung von Pflichten aus dem jeweiligen städtebaulichen Vertrag überwacht und ggf. geahndet werden?

Antwort zu 4: Zuständig für die Überwachung der eingegangenen Verpflichtungen ist der jeweilige Vertragspartner auf Seiten der Verwaltung, d.h. in der Regel die Bezirksämter. Für bestimmte Vertragsverstöße sind auch in der Vergangenheit bereits Vertragsstrafen vereinbart worden. Diese Praxis wird auch beibehalten bei der Aktualisierung des Musters für einen städtebaulichen Vertrag, der den Bezirken von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt als Entwurf zur Verfügung gestellt wurde und sich in der Endabstimmung befindet.

Frage 5: Aus welchen Gründen wird bei Nichtzustandekommen des städtebaulichen Vertrages eine hälftige Kostenübernahme vorgesehen, obwohl am Anfang des Verfahrens eine Grundzustimmung des Investors als Voraussetzung für den Planungsbeginn vorgesehen ist?

Antwort zu 5: Unter Punkt 1.8 „Verfahrensschritte“ ist in der Leitlinie zum Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung ausgeführt, dass im Falle des Nichtzustandekommens eines städtebaulichen Vertrages jeder Verhandlungsführer seine bis dahin entstandenen Kosten selber trägt. Für das Land Berlin bzw. die Bezirke fallen dementsprechend nur Kosten des Personaleinsatzes zur Vorbereitung, Teilnahme und Nachbereitung der Verhandlungen an. Kosten für Gutachten, Entwurfsleistungen etc. gehen zulasten des Vorhabenträgers.

Frage 6: Für welche Vorhaben wird seit Beschluss und Veröffentlichung der Regelungen zur kooperativen Baulandentwicklung dieser Verfahrensablauf derzeit angewendet bzw. zur Anwendung vorbereitet (bitte nach Bezirken und mit Angaben zu Standort, Flächengröße, Anzahl Wohnungen auflisten)?

Antwort zu 6: Eines der Pilotvorhaben für das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung ist das Wohnungsbauprojekt auf der ehemaligen Fläche des Güterbahnhofs Wilmersdorf im Bezirk Tempelhof-Schöneberg (Neubau von ca. 900 Wohnungen auf einer Fläche von ca. 6,5 ha). Bei allen Wohnungsbauvorhaben, für die ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden muss, soll das Berliner Modell angewandt werden, um ein einheitliches Verwaltungshandeln in Berlin zu garantieren.

Frage 7: Wie unterscheidet sich die Übergangsphase bis Ende 2015 von der darauf folgenden Phase und durch wen wird die vorgesehene laufende Evaluierung durchgeführt?

Antwort zu 7: Da in den letzten Jahren in Berlin in der Regel keine Kostenbeteiligung für den Bau oder die Erweiterung von Grundschulen und auch kein Anteil an preiswertem Wohnraum in den städtebaulichen Verträgen verhandelt wurde, wird für einen Übergangszeitraum des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung bis Ende 2015 davon ausgegangen, dass diese Lasten bei der Kaufpreisfindung nicht berücksichtigt wurden und dementsprechend die Grundstückserwerber möglicherweise höhere Preise gezahlt haben. Mit der befristeten Erhöhung des Eingangswertes auf 60 Prozent des erwarteten Baulandwerts bei der Prüfung der Angemessenheit des abzuschließenden städtebaulichen Vertrages wird diesem Umstand Rechnung getragen. Mittelfristig ist davon auszugehen, dass die Anwendung des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung sich preisdämpfend auf den Grundstücksmarkt auswirken wird. Daher wird bei der Berechnung der Angemessenheit aller städtebaulichen Verträge, die ab dem 01.01.2016 abgeschlossen werden, der Eingangswert auf 50 Prozent des erwarteten Baulandwerts festgelegt. Die Evaluierung wird durch die Wohnungsbauleitstelle bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt durchgeführt.

Frage 8: Wie hoch schätzt der Senat den Anteil des künftigen Bauvolumens mit dem Modell der kooperativen Baulandentwicklung, gemessen am gesamtstädtischen Bauvolumen ein?

Antwort zu 8: Die Bemessung eines genauen Anteils ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich, da zunächst Erfahrungen mit dem Berliner Modell gesammelt werden müssen. Zudem werden viele, kleinere Wohnungsbauvorhaben aufgrund bereits rechtskräftiger Bebauungspläne bzw. nach § 34 Baugesetzbuch zugelassen.

Frage 9: Wie wird gewährleistet, dass schon bei der anfänglichen Schätzung eine „von den planungsbedingten Bodenwertsteigerungen unabhängige Bewertung der Angemessenheit durch ein Verkehrswertgutachten“ erfolgt und nicht spekulativ überhöhte Anfangswerte ermittelt werden und damit der für die Gemeinwohlzwecke verfügbare Ausgleichsbetrag unangemessen gemindert wird?

Antwort zu 9: Für den Fall, dass der Vorhabenträger die Angemessenheit der zu übernehmenden Kosten durch ein Verkehrswertgutachten ermitteln möchte – und nicht durch die im Berliner Modell enthaltene standardisierte Berechnung über Eingangsund Zielwerte, die sich an den Bodenrichtwerten orientieren –, ist in Abstimmung mit der jeweiligen planaufstellenden Behörde (Bezirksamt oder Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt) eine öffentlich bestellte Vermessungsingenieurin oder ein öffentlich bestellter Vermessungsingenieur zu beauftragen. Die bezirklichen Vermessungsämter sind fachlich in der Lage, vorgelegte Verkehrswertgutachten zu prüfen. Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure unterliegen der Fachaufsicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.

Frage 10: Warum beschränkt sich der Senat auf eine Kopplung des vertraglich geforderten Anteils an „bezahlbaren“ Wohnungen an das Volumen der Wohnraumförderung des Landes, was angesichts des bescheidenen Betrages zu einem Anteil von 0 bis lediglich 33% führt, und warum sieht er nicht alternativ oder ergänzend die Bereitstellung von Bauflächen durch den Investor an das Land für einen an sozialen Kriterien orientierten Mietwohnungsbau durch städtische Gesellschaften, Genossenschaften oder andere Träger vor?

Antwort zu 10: Für den Fall, dass ein städtebaulicher Vertrag über Grundstücke geschlossen wird, die sich im Eigentum einer/eines privaten Eigentümerin/Eigentümers befinden, kann eine kostenlose Übertragung von Flächen nur vereinbart werden, wenn es sich um Flächen für öffentliche Nutzungen oder Infrastruktureinrichtungen handelt. In mehreren Fällen zeichnet sich ab, dass private Vorhabenträger im Rahmen eines Bauträgermodells den öffentlich geförderten Wohnraum errichten und an die städtischen Wohnungsbaugesellschaften veräußern werden. Diese Bestände unterliegen damit dauerhaft einer Mietenund Belegungsbindung und bleiben im Eigentum einer landeseigenen Gesellschaft. Über den Kaufpreis muss zwischen Bauträgerin oder Bauträger und Erwerberin oder Erwerber eine Einigung erzielt werden, da es sich um einen privatrechtlichen Kaufvertrag handelt, der unabhängig vom öffentlich-rechtlichen städtebaulichen Vertrag abgeschlossen wird. Es ist planungsrechtlich unzulässig, in einem städtebaulichen Vertrag mit einer/einem privaten Eigentümerin/Eigentümer den Verkauf eines Teils seines Vorhabens an eine bestimmte Gesellschaft festzuschreiben. Nach den Regelungen des Baugesetzbuchs kann nur ein Anteil geförderten oder mietpreisgedämpften Wohnraums im städtebaulichen Vertrag vereinbart werden, unabhängig davon, wer Eigentümerin oder Eigentümer der Wohnungen ist. Es entspricht den stadtplanerischen und wohnungspolitischen Zielsetzungen, wenn in einem Neubauvorhaben der Anteil geförderter Wohnungen auf maximal ein Drittel begrenzt ist, damit Haushalte unterschiedlichen Einkommens in einem Neubauquartier zusammenleben („soziale Mischung“).

Berlin, den 28. November 2014

In Vertretung

Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt

(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Dez. 2014)

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