Bundesweite Koordinierung der Ausbildungsbedarfe

Kurzsichtiges und kurzfristiges Hin und Her nutzt niemandem

16. Wahlperiode  70. Sitzung: Steffen Zillich zur Forderung der CDU, Lehrerinnen und Lehrer in Berlin wieder zu verbeamten

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

In der Tat: Berlin hat sich vor sieben Jahren unter Rot-Rot entschieden, Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr zu verbeamten. Diese Entscheidung war kein ideologischer Schnellschuss, sondern hatte im Wesentlichen zwei Gründe. Erster Grund: Haushaltsklarheit. Es sollten nicht weiter Pensionslasten als verdeckte Neuverschuldung aufgehäuft und auf zukünftige Generationen verschoben werden.

Der zweite Grund ist: Der besondere Status der Beamten mit seinen Privilegien einerseits und seinen eingeschränkten Grundrechten andererseits sollte Tätigkeiten mit in engerem Sinne hoheitlichen Aufgaben vorbehalten bleiben.

Diese Entscheidung wurde seinerzeit breit getragen, auch von der CDU, und ihre Gründe haben nach wie vor Berechtigung. Das ist schon erwähnt worden. Der fiskalische Grund hat seine Berechtigung. Wir hatten gerade wieder eine Debatte über die steigenden Pensionslasten. Diesem Problem der steigenden Pensionslasten wird man nicht dadurch gerecht, indem man jetzt anfängt, über eine kreditfinanzierte Rücklagenbildung zu diskutieren. Das Problem bleibt ja.

Auch der ordnungs- und bildungspolitische Grund gilt nach wie vor. Wir sehen Lehrerinnen und Lehrer nicht in erster Linie als Staatsdiener mit besonderem Treueverhältnis und eingeschränkten Grundrechten, sondern wir sehen sie als pädagogische Fachkräfte. Und wenn dagegen eingewandt wird, dann könnten Lehrerinnen und Lehrer auch streiken, dann sage ich: Wenn Schülerinnen und Schüler in der Schule direkt mitbekommen, wie Auseinandersetzungen zwischen Tarifparteien in unserer Gesellschaft laufen, dann lernen sie sicherlich nichts Falsches für das Leben.

[Beifall bei der Linksfraktion –

Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Bei der Entscheidung, Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr zu verbeamten, war klar, dass es Probleme und Widerstände geben wird. Es war klar, dass es ein langer Prozess werden wird, weil eben nur die neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr verbeamtet werden. Es war auch klar, dass man für solch eine Entscheidung einen langen Atem braucht. – Wie gesagt, die Entscheidung wurde von allen Parteien getragen. – Und es war auch klar, dass nichts falscher sein würde, als wenn man einen solchen langen Atem nicht aufbringen würde. Ein kurzsichtiges und kurzfristiges Hin und Her nutzt niemandem.

Allerdings haben wir in der Tat ein Problem. Wir haben das Problem, angesichts eines bundesweiten Lehrermangels in der Zukunft ausreichend Lehrerinnen und Lehrer für unsere Schulen zu finden. Dieses Problem ist nur bundesweit zu lösen. Ich will es hier erwähnen, weil es in Vergessenheit gerät: Die Ursache ist, dass bundesweit zu wenig Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet werden. Die Ursache ist ein Schweinezyklus, in dem wir uns befinden: Eine Zeitlang gibt es zu viele Lehrerinnen und Lehrer.

Dann gibt es einen Einstellungstopp, die Ausbildungszahlen werden heruntergefahren. Das führt dann irgendwann, wenn viele Lehrer ausscheiden, dazu, dass wir zu wenig Lehrerinnen und Lehrer haben und durch zu geringe Ausbildungskapazitäten in einen Lehrermangel hineinlaufen. Das ist nur zu lösen, wenn wir zu einer bundesweiten Koordinierung der Ausbildungsbedarfe kommen. Die Kultusministerkonferenz hat sich auf den Zettel genommen, sich das irgendwann mal anzusehen. Aber leider haben wir dafür noch keine Lösung. Wir brauchen aber eine Lösung dafür, sonst kommen wir immer wieder in eine solche Situation.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Aber wir müssen auch in Berlin das Unsere tun. Das bedeutet erstens – und das ist mir wichtig –, dass wir das Problem zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir wegen des altersbedingten Ausscheidens einen erheblichen Lehrerbedarf bekommen. Das ist kein Selbstläufer, der sich irgendwie lösen wird.

In der Tat ist es richtig, darauf zu verweisen, dass Berlin eine attraktive Stadt ist, auch für Berufseinsteiger. Aber das reicht nicht aus. Ich erwarte vom Senat, dass er Vorschläge unterbreitet, wie mit einer solchen Situation umzugehen ist. Angestellte verdienen netto weniger als Beamte. Mit dieser Ungleichheit müssen wir umgehen. Das tut der Senat auch, indem er neueingestellten Lehrerinnen und Lehrern mehr Geld dadurch gibt, dass sie sofort in eine höhere Erfahrungsstufe eingeordnet werden. Das ist ein Schritt. Aber wir wissen auch, dass das keine dauerhafte Lösung ist.

Allerdings ist es angesichts dessen unverständlich, dass ein Teil der neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrer, nämlich die sogenannten L2-Lehrer, geringer eingestuft wird. Erst geben wir ihnen zusätzlich zu ihrer Eingruppierung Geld, damit sie hier anfangen, und dann wird die Eingruppierung gesenkt. Das ist kontraproduktiv und auch nicht konsistent. Ich denke, dass wir langfristig überlegen müssen, ob wir dem Problem des ungleichen Einkommens von Beamten und Angestellten in der Konkurrenzsituation mit den anderen Bundesländern, die wir auf absehbare Zeit noch haben werden, nur dadurch begegnen können, dass wir sie bei ungleichem Einkommen auch bei der Arbeitszeit ungleich behandeln und beispielsweise durch eine geringere Arbeitszeit den Angestelltenstatus für Lehrerinnen und Lehrer attraktiv machen.

Es ist richtig, dass wir Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr verbeamten. Aber wir müssen eine Lösung für das Problem finden, wie wir zukünftig genügend Lehrerinnen und Lehrer einstellen können. Wenn wir sie nicht finden, dann besteht in der Tat die Gefahr, dass sich diejenigen durchsetzen werden, die den langen Atem beim Ausstieg aus der Verbeamtung nicht aufbringen wollen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]