Erfahrungen für die Schulstrukturreform nutzbar zu machen

Bildungspolitischer Sprecher, Steffen Zillich, zur Entwicklung der Grundschulen in Berlin

65. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 16. Wahlperiode.
Steffen Zillich zu bildungspolitischen Anträgen der FDP-Fraktion

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Zwei Anträge der FDP zum Thema Grundschule – das Thema Grundschule hat in der letzten Zeit für Aufregung gesorgt, auch jetzt ist wieder von einer Katastrophe geredet worden. Deshalb vorweg etwas Grundsätzliches. Wir wissen um die gute Arbeit, die in den Grundschulen gemacht wird. Dies hat nicht zuletzt auch die Element-Studie bestätigt. Wir wissen, dass dies auch für die Klassen 5 und 6 gilt, auch im Vergleich zu den grundständigen Gymnasien.

[Beifall der Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Wir wissen auch, dass die Arbeit der Grundschulen in mancherlei Hinsicht vorbildlich ist, dass vieles, was wir im Rahmen der Schulstrukturreform mit der integrierten Sekundarschule in der Sekundarstufe I einführen, in den Grundschulen alltägliche Praxis ist: heterogene Lerngruppen, individuelle Förderung in einer Schule mit Kindern aller Leistungsvoraussetzungen. Wir erkennen das an und wir regen dringend an, diese Erfahrungen für die Schulstrukturreform nutzbar zu machen. Wir wissen aber auch um die schwierige Arbeit an den Grundschulen, besonders in den Brennpunkten.

Wir sehen, dass wir insbesondere in diesem Bereich prüfen müssen, wie wir zu Verbesserungen kommen in Bezug vor allen Dingen auf den Ganztagsbetrieb und auf die Rahmenbedingungen, die im Vergleich zur integrierten Sekundarschule existieren. Ich nenne hier die Stichworte Pflichtstunden, Lehrerausstattung, insbesondere Sozialfaktor. Nun kurz zu den Anträgen der FDP, die betreffen die Schuleingangsphase und die VERA-Tests.

[Mieke Senftleben (FDP):

Die Sprachförderung betrifft es auch!]

Zum ersten Antrag, zum jahrgangsübergreifenden Lernen. Dieser Antrag ist ungefähr der zwanzigste Antrag, der die verbindliche Einführung des jahrgangsübergreifenden Lernens aussetzen möchte.

Deswegen noch mal: Das jahrgangsübergreifende Lernen ist ein zentrales Element der Schuleingangsphase, damit die Schuleingangsphase ihrer Aufgabenstellung gerecht werden kann. Damit soll dem früheren Einschulungsalter und unterschiedlichen Entwicklungsständen der Kinder Rechnung getragen werden. Kinder können vieles. Sie können sehr Unterschiedliches, wenn sie in die Schule kommen. Die Unterschiedlichkeit der Kinder ist Ausgangspunkt für die individuelle Förderung jedes Kindes und für das Mit- und Voneinanderlernen von Kindern, aber auch für das Respektieren von Unterschiedlichkeit.

Kurz: Das jahrgangsübergreifende Lernen ist ein elementarer Bestandteil der Schuleingangsphase, deshalb kann es nicht in die Beliebigkeit gestellt werden. Die Einführung ist flexibel gestaltet. Schulen, die nicht über die Voraussetzungen für JÜL verfügen, vereinbaren mit der Schulaufsicht, wie diese Voraussetzungen geschaffen werden. Ich weiß, dass wir da genau hingucken müssen und dass es nicht überall so ist, wie wir wollen, dass es ist. Und natürlich brauchen wir auch eine kritische Überprüfung der Ergebnisse. Wobei noch mal gesagt sei, Herr Steuer hat es wieder angesprochen: Nicht das Verweilen in der Schuleingangsphase ist das Problem. Es entspricht gerade dem Charakter der Schuleingangsphase, dass Kinder dort länger verweilen dürfen.

Aber wir sehen durchaus und nehmen die Signale ernst, dass sich beim Übergang in die 3. Klasse Probleme ergeben. Allerdings Beliebigkeit nutzt uns hier nichts. Nun zum zweiten Antrag, zum Thema VERA. Die Debatte ist zitiert worden, die es hier gab. Es gab die Kritik aus den Schulen, die hieß, die Aufgaben würden ihre Schüler überfordern und die Schulen in einem schlechten Licht stehen lassen. Im Kern ging es dabei nicht um VERA, sondern um die Probleme, die sich insbesondere an den Schulen in sozialen Brennpunkten konzentrieren.

Aber diese Probleme werden weder durch die Ablehnung der Beteiligung an VERA noch durch die Anpassung der Aufgabenstellung an die Schülerinnen in den Brennpunkt-schulen allein gelöst, sondern auf solchem Wege eher verdeckt. Einen Boykott der Vergleichsarbeiten hat es nicht gegeben. Sie sind inzwischen geschrieben, aber noch nicht ausgewertet.

Wir sollten zunächst Ergebnisse zur Kenntnis nehmen und mit denen der früheren Vergleichsarbeiten abgleichen, zu denen bereits detaillierte Berichte vorliegen. Die FDP – da gebe ich Herrn Steuer recht – beantragt etwas, was der Senat ohnehin zu tun hat, nämlich Ergebnisse zu überprüfen und Schlussfolgerungen daraus für die Schulen nutzbar zu machen. Natürlich müssen wir die Testergebnisse auswerten.

Das betrifft sowohl die Qualität der Aufgaben als auch die getesteten Leistungen und die Ursachen für diese Leistungen. Dies berührt vor allem ein Problem, da sollten wir vielleicht genauer hinsehen, das des Textverständnisses. Den Ursachen für das Nicht- oder Falschverstehen nachzugehen ist sinnvoll sowohl für die Methoden der Sprachförderung als auch für die Aufgabenformulierung.

Allerdings erscheint uns ein Senatsbericht zu jedem Vergleichstest wenig sinnvoll. Wir haben seit gut zehn Jahren unterschiedliche Studien. Wir haben eine ganze Menge an Daten, die uns vorliegen. Die in eine Tendenz zu stellen und die Wirksamkeit getroffener Maßnahmen in ihrer Wechselwirkung zu überprüfen, das macht, denke ich, Sinn. Insofern sollten wir den Antrag behandeln, wenn die Ergebnisse von VERA vorliegen und anhand derer beraten, was nötig ist. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]