Ja zum gemeinsamen Ethikunterricht

Steffen Zillich

Am 26. April haben die Berlinerinnen und Berliner die Möglichkeit, über den von »Pro Reli« geforderten Wahlzwang abzustimmen. Wir möchten, dass es so bleibt, wie es ist.

43. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 16. Wahlperiode zur Vorlage »Festsetzung des Abstimmungstages für den Volksentscheid "Wir wollen Wahlfreiheit! Für die Einführung des Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion!" in Verbindung mit dem Entschließungsantrag »Gemeinsam statt getrennt. Für einen gemeinsamen Ethikunterricht!«

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat: Es geht um eine Sachfrage, in der die Berlinerinnen und Berliner jetzt das Wort haben, und Respekt: Wir haben hier eine deutliche Weiterentwicklung der Debatte im Vergleich zu den letzten Wochen erlebt. Es ging nicht mehr um Nebenkriegsschauplätze wie Termine und Verfahren, sondern es ging tatsächlich – zu großen Teilen jedenfalls – um die Sache. Der Kollege Ratzmann hat ja die Kurve noch in dieser Form gekriegt. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Debatte um die Sache führen, weil wir das dem Instrument der direkten Demokratie und auch den 265 000 Unterschriften, die »Pro Reli« gesammelt hat, schuldig sind.

Es geht um die Sache, und trotzdem müssen wir konstatieren, dass wir bei einer solchen kampagnenartigen Entscheidung, die wir vor uns haben, natürlich nicht nur komplexe Zusammenhänge darstellen und Differenziertheiten aufzeigen werden, sondern es wird eben eine kampagnenhafte und verkürzte Auseinandersetzung sein. Wir wollten die nicht in dieser Form, aber jetzt haben wir sie, und jetzt führen wir sie auch. Deswegen legen wir hier einen Entwurf für eine Stellungnahme des Abgeordnetenhauses vor – gemeinsam mit SPD und Grünen –, in dem sich das Abgeordnetenhaus zu dieser Frage klar positioniert, indem es sagt: Ja, wir wollen das derzeitige Modell beibehalten. – Und: Nein, wir wollen das Begehren, das »Pro Reli« eingebracht hat, ablehnen. –
Deswegen sagen wir klar: Wir sagen Nein zum Anliegen von »Pro Reli«, weil es dabei nicht um Wahlfreiheit geht, wie behauptet, sondern es geht um den Zwang, den Ethikunterricht abwählen zu müssen, wenn man den Religionsunterricht belegen will. Das lehnen wir ab.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

Und wir sagen Nein zu »Pro Reli«, weil wir es für grundlegend falsch halten, zwei so unterschiedliche Dinge alternativ zueinander zu stellen, nämlich einen Bekenntnisunterricht, einen Religionsunterricht einerseits und andererseits ein Fach, das Wissen und Verständnis vermitteln soll, wie es das integrative Fach Ethik tut, das weltanschaulich neutral ist und neutral sein muss. Dazwischen wählen zu müssen wäre falsch. Ich finde es unverständlich und falsch, und wir können es nicht unterstützen, wenn im Gesetzentwurf von »Pro Reli« der Auftrag, ein gegenseitiges Verständnis und ein Wissen über alle wichtigen Religionen in Berlin zu erlangen, nur auf diejenigen Schülerinnen und Schüler reduziert wird, die nicht an einem Religionsunterricht teilnehmen. Nein, das ist eine Aufgabe, die für alle Schülerinnen und Schüler gilt und die für unsere Stadt wichtig ist, und deswegen ist dieses Anliegen von »Pro Reli« falsch.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Und wir sagen Nein zu »Pro Reli«, weil wir eine bewährte und auch – anders, als manche den Eindruck erwecken – grundgesetzlich abgesicherte Berliner Regelung für den freiwilligen Weltanschauungs- und Religionsunterricht seit über 60 Jahren in dieser Stadt haben. Diese Regelung ist deswegen bewährt und richtig, weil sie anders als andere Regelungen eher Gleichbehandlung und eher Flexibilität gewährleistet. Das ist deswegen so wichtig, weil ein Kern von Religionsfreiheit in der Gleichbehandlung der verschiedenen Bekenntnisse und Religionen liegt. Deswegen ist das Berliner Modell des freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterrichts genau richtig, und wir wollen es beibehalten.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Und wir sagen Nein zu »Pro Reli«, weil wir Ja sagen zum gemeinsamen Ethikunterricht. Die Vielfalt in unserer Stadt ist eine große Chance, aber sie ist auch eine große Herausforderung, und das gilt insbesondere für die Schule. Selbstverständlich muss sich die Schule insgesamt dieser Herausforderung stellen, aber wir brauchen einen Ort, an dem es darum geht, dass Kinder mit völlig unterschiedlichem Hintergrund, mit völlig unterschiedlicher Herkunft und völlig unterschiedlichen Lebensentwürfen etwas über die Hintergründe des jeweils anderen erfahren, Wissen erwerben – und zwar alle Kinder – und gegenseitiges Verständnis in dem Miteinanderleben einüben. Denn es ist etwas anderes, ob Muslime sich untereinander über ihr Verhältnis zu Christen unterhalten oder ob Muslime und Christen dies miteinander tun müssen. Damit dies funktionieren kann, brauchen wir den gemeinsamen Ethikunterricht. Aber diesen gemeinsamen Ethikunterricht will »Pro Reli« abschaffen, und deswegen sagen wir dazu Nein.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir sagen: Religionsunterricht bleibt freiwillig. – Wir sagen: Gemeinsam ist besser, und deswegen Ja zum gemeinsamen Ethikunterricht! – Und wir sagen Nein zum Wahlzwang und rufen deshalb dazu auf, am 26. April mit Nein zu stimmen. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]