Besser spät als gar nicht

Der Senat hatte vorgesehen, jedem Kind einer Ganztagsschule ein warmes Mittagessen für 23 € pro Monat bereits ab Februar 2008 zu ermöglichen, doch die Einführung wird sich bis nach den Sommerferien verzögern.

32. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 16. Wahlperiode zur Großen Anfrage »Hungernde Kinder an Grundschulen«

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat, im nächsten Schuljahr bekommen alle Kinder in Berlin, die an einer Ganztagsgrundschule ein Angebot wahrnehmen, ein subventioniertes Mittagessen für 23 €. Das ist ein wichtiger Schritt gegen die Benachteiligung von Kindern aus armen Familien.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Darüber hinaus wird es einen Härtefallfonds geben, so dass die Schulen im Einzelfall eine Essensteilnahme zu Sonderkonditionen ermöglichen können. Ebenfalls darüber hinaus wird es ein Starterpaket geben, mit dem Kinder aus einkommensschwachen Familien bei der Einschulung eine Grundausstattung mit Materialien, die das Kind für die Schule braucht, erhalten. Um das alles haben wir lange gerungen, das hätten wir in der Tat gerne früher gehabt, aber da es auf das Ergebnis ankommt, ist es uns umso wichtiger, dass es jetzt den Kindern zugutekommt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ende 2006 gab es aus den gebundenen Ganztagsgrundschulen Alarmrufe; der Ganztagsschulverband, die Schulleitervereinigung, die GEW teilten mit, dass immer mehr Kinder nicht am Mittagessen teilnehmen. An den gebundenen Ganztagsgrundschulen sind die Kinder bis 16 Uhr an der Schule, und sie essen nicht etwa zu Hause zu Mittag, das gemeinsame Mittagessen gehört zum Programm der Schule und soll in das erzieherische Konzept einbezogen werden. Ein Mittagessen – so war es bisher die Regelung – muss kostendeckend finanziert werden und kostet ca. 40 € im Monat. Wenn Kinder an diesem Essen nicht teilnehmen können, weil ihre Eltern es sich nicht leisten können, haben sie nicht nur den ganzen Tag Hunger, was nicht akzeptabel ist, sondern sie werden diskriminiert, zurückgesetzt und können am erzieherischen Programm der Schule nicht teilnehmen. Deswegen mussten wir an dieser Stelle handeln, obwohl es zunächst in der Verantwortung auf Bundesebene liegt, denn dort ist die Entscheidung getroffen worden, dass in den Hartz-IV-Regelsätzen keine Materialien für den Schulanfang vorgesehen sind. Dort ist auch die Entscheidung getroffen worden, dass für die Ernährung der Kinder im Regelsatz ein Satz von 2,60 € pro Tag vorgesehen ist. 2 € pro Tag für ein Mittagessen in der Schule ist daraus nicht zu bezahlen. Deswegen ist es völlig richtig – wie es der Senat in der Großen Anfrage dargestellt hat – und wir unterstützen es, dass es die Veränderung in den Hartz-IV-Regelsätzen auf Bundesebene geben muss. Deswegen ist es gut, dass der Senat sich an entsprechenden Initiativen beteiligt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Unabhängig davon konnten wir die Situation nicht so lassen, deswegen haben wir uns darauf verständigen können – und das ist durchaus nicht selbstverständlich –, dass wir Geld für eine Subventionierung von Schulessen für die Unterstützung von Kindern aus armen Familien zur Verfügung stellen, insgesamt 4,5 Millionen € jährlich.

Natürlich, Frau Senftleben, hätten wir das gern früher gehabt. Als wir das im vergangenen Jahr mit dem Haushalt beschlossen haben – und die politische Übereinkunft war schon früher getroffen –, hatten wir das Ziel, dass das sehr viel schneller umgesetzt wird. Wir mussten aber zur Kenntnis nehmen, dass es sehr unterschiedliche Interessen und Konzepte gibt, die miteinander gestritten haben. Eins muss ich Ihnen aber sagen: In Ihren ersten Reaktionen auf dieses Problem haben Sie gefordert, allein durch die Verpflichtung von Kindern zur Teilnahme am Essen in den Ganztagsschule dieses Problem lösen zu wollen. Dass es ein Problem der Armut von Menschen ist, war in Ihren ersten Reaktionen nicht präsent. Deswegen ist es richtig, dass wir den Weg so gegangen sind.

[Beifall bei der Linksfraktion –
Beifall von Dr. Felicitas Tesch]

Zwei Punkte, die bereits thematisiert wurden, möchte ich noch einmal ansprechen: Sie haben zum Teil so getan, Frau Senftleben, als wäre das, was wir für die gebundenen Ganztagsgrundschulen einführen, ein Verfahren, das es sonst nirgendwo gibt. Das ist das Verfahren, das im offenen Ganztagsbetrieb mit dem dort angebotenen Essen stattfindet. Die Bezirke sind dafür verantwortlich, einen Caterer auszuwählen – sie wählen in der Regel mehrere Caterer aus –, und aus diesem Angebot können sich die Schulen eins auswählen. Sicherlich wäre ein anderes Verfahren vorstellbar gewesen, aber vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Bezirke auf ein einheitliches Verfahren für den offenen und den gebundenen Ganztagsbetrieb gedrängt haben.

Und ein zweiter Punkt: Ich verstehe, dass der Senat – –

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns:

Herr Kollege Zillich! Kommen Sie zum Schluss!

Steffen Zillich (Linksfraktion):

Ich komme zum Schluss. – In der Tat trifft Armut Kinder immer als erste. In der Tat ist es so, dass Hartz IV vor allen Dingen die Kinder trifft. Wir haben aber mit den Regelungen, die nun endlich zum nächsten Schuljahr gelten, das, was man auf Landesebene tun kann, getan, damit Kinder aus armen Familien nicht noch zusätzlich benachteiligt werden und zusätzlich schlechtere Startchancen haben. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion]