Jahresbericht 2015 des Rechnungshofs von Berlin

Der Jahresbericht vorgelegt hat wieder Beispiele aufgedeckt, wo der Senat Geld verschleudert, wo Einnahmen verschenkt werden, wo die Verwaltung ineffektiv handelt, wo sie nicht korrekt handelt.

aus dem Wortprotokoll

66. Sitzung

Ich komme dann zur

lfd. Nr. 3:

Jahresbericht 2015 des Rechnungshofs von Berlin gemäß Artikel 95 der Verfassung von Berlin und § 97 der Landeshaushaltsordnung

Bericht
Drucksache 17/2275

 

Vizepräsident Andreas Gram:

Vielen Dank, Kollege Goiny! – Für die Linksfraktion spricht Kollege Zillich. – Bitte sehr!

Steffen Zillich (LINKE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Claßen-Beblo! Wenn von meiner Fraktion nicht, wie es ansonsten hier üblich ist, eine Abgeordnete, die auch Mitglied des Unterausschusses Haushaltskontrolle ist, spricht, liegt das daran, dass Frau Dr. Schmidt kurzfristig erkrankt ist. Ich hoffe, ich kriege das hier trotzdem jetzt einigermaßen hin.

Der Rechnungshof hat seinem Verfassungsauftrag entsprechend seinen Jahresbericht vorgelegt, und der hat wieder Beispiele aufgedeckt, wo der Senat Geld verschleudert, wo Einnahmen verschenkt werden, wo die Verwaltung ineffektiv handelt, wo sie nicht korrekt handelt. Für diese Arbeit, Frau Claßen-Beblo, Ihnen und Ihrem Team herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN
und den PIRATEN –
Beifall von Monika Thamm (CDU)]

Er hat darüber hinaus aber auch, und darauf möchte ich vor allem eingehen, den Finger in die Wunde gelegt und auf eine grundsätzliche finanzpolitische Schieflage im Land aufmerksam gemacht. Die ist nicht neu, aber sie wird immer drängender und betrifft den Umgang mit Investitionen. Schon in der Vergangenheit waren wir uns mit dem Rechnungshof darin einig, dass sich die Investitionen an der wachsenden Stadt und zugleich an dem stetig wachsenden Sanierungsbedarf ausrichten müssen, erst recht dann, wenn die finanziellen Spielräume dafür im Haushalt vorhanden sind. Dazu gehören die Konsolidierung der öffentlichen Infrastruktur wie des öffentlichen Straßenlandes und die Ertüchtigung der öffentlichen Verwaltung, um all das umzusetzen.

Der Senat und die Koalition, Herr Jauch, verlegen sich auf einen anderen Weg und erfüllen diese Aufgaben durch die einmalige Bereitstellung von Investitionsmitteln im Rahmen des sog. Sondervermögens Infrastruktur der Wachsenden Stadt. Darunter sind sicherlich dringend notwendige Investitionen in Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Polizeistandorte, allerdings kann man nicht so richtig feststellen, dass die Auswahl dieser Investitionen einer erkennbaren Strategie folgt. Sie ist wohl eher dem Koalitionsproporz und auch Wahlkreisgefälligkeiten geschuldet. Eins ist aber in jedem Fall klar: Das reicht nicht! Für die Jahre 2015 und 2017 sind bisher keine Finanzierungsüberschüsse geplant, die eine Zuführung weiterer Mittel an das Sondervermögen erlauben. Und, es ist schon angesprochen worden: In der mittelfristigen Finanzplanung bleibt es bei einer weit unterdurchschnittlichen Investitionsquote, bei der jetzt auch noch der Bedarf für die BER-Pleite eingerechnet werden soll. Das ist eine völlig unzureichende Situation. Was wir brauchen, und was fehlt, was der Rechnungshof auch anmahnt – und das völlig zu Recht –, sind Konzepte für nachhaltige und kontinuierliche Investitionen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Zu Recht kritisiert der Rechnungshof eine fehlende bedarfsgerechte Erhaltungs- und Finanzierungsstrategie zum Beispiel für die öffentlichen Straßen. Wo sind denn die Konzepte für die bezirkliche Infrastruktur, für Hochschulen, Krankenhäuser, Schulen usw.? Der Bedarf ist riesig. Die Berlinerinnen und Berliner erleben immer stärker, dass die Stadt nicht funktioniert, aber eine solche Strategie ist nicht vorhanden.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Das Modell SIWA ist das genaue Gegenteil davon. Es ist das genaue Gegenteil zu einer langfristigen Investitionsstrategie.

[Torsten Schneider (SPD): Ja, tut euch weh, ich weiß!]

Eine solche langfristige Investitionsstrategie ist notwendig, weil es bei der Höhe des Investitionsstaus schlichtweg gar nicht möglich ist, diesen mit einem Haushalt in einem Jahr abzubauen. Dazu braucht man eine langfristige Planung. Aber wann fließt Geld aus SIWA? – Wenn der Senat sich zufällig verrechnet hat. Nur dann gibt es SIWA. Nur dann, wenn entgegen der Planung des Senats am Jahresende etwas übrig bleibt. Das ist das genaue Gegenteil einer langfristigen Strategie.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN –
Fabio Reinhardt (PIRATEN): Und dann
nur die Hälfte! –
Zuruf von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Es gibt viele Bereiche, die hier schon angesprochen wurden, mit denen sich der Bericht des Rechnungshofs auseinandersetzt. Dazu gehören natürlich auch die Themen Bauinvestitionen, Genauigkeit der Planungen und Kostenkontrolle. Hier haben wir viel zu tun. Wir haben gerade schon gehört: 75 Prozent der neu beginnenden Baumaßnahmen werden ohne Bauplanungsunterlagen etatisiert. Auch das ist im Übrigen – kleiner Schlenker – ein Thema, das wir uns bei den SIWA-Maßnahmen anschauen müssen, denn die sind alle komplett ohne Bauplanungsunterlagen in das Programm aufgenommen worden. Hier gibt es Anstrengungen des Parlaments, und die sehen wir sehr wohl. Ich glaube aber, dass wir hier noch deutlich weiterkommen müssen.

Der Rechnungshof hat an dieser Stelle die Finger in die Wunde gelegt, er kann aber nicht selbst umsteuern. Das ist die Aufgabe der Politik. Ich weiß nicht, ob noch jemand glaubt, dass irgendjemand im Senat und in der Koalition die Kraft für diese Umkehr findet.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vizepräsident Andreas Gram:

Vielen Dank, Kollege Zillich! – Ich glaube, ich darf im Namen des ganzen Hauses der Kollegin Dr. Schmidt eine rasche Genesung wünschen.

[Allgemeiner Beifall]