Schülerdaten für bessere Bildung

Steffen Zillich

Die Erhebung von Schülerdaten soll helfen, Schulen besser und gezielter mit Personal und Finanzmitteln ausstatten zu können. Ein Rückschluss auf persönliche Daten der Schüler ist nicht möglich.

38. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin in der 16. Wahlperiode in der I. Lesung »Gesetz zur automatisierten Schülerdatei«

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz hat neben der Umsetzung der Schulpflicht vor allem das Ziel, die Organisation der Schulen zu verbessern, ihre Ausstattung transparenter und genauer zu machen. Dass dies nötig ist, dürfte in diesem Haus, aber auch weithin in Berlin unumstritten sein. Es geht darum, Planungsprozesse so zu gestalten, dass sie auf einer aktuellen, zutreffenden Datengrundlage stattfinden. Es soll in Zukunft vermieden werden, dass Doppelanmeldungen und falsche Angaben die Planungssicherheit erschweren, die die Schulen für ihre pädagogische Arbeit brauchen.

Die Schulverwaltung soll in die Lage versetzt werden, wenn es um die Ausstattung der Schulen geht, genau nachzuvollziehen, auf wie viele Lehrerinnen und Lehrer, auf wie viele Erzieherinnen und Erzieher eine Schule Anspruch hat. Sie ist dann auch in der Pflicht zu reagieren, wenn Pädagogen fehlen. Die Schulen sollen davon entlastet werden, wieder und wieder Berichte schreiben zu müssen und doch nicht davon ausgehen zu können, dass die Entscheidungen, die über sie getroffen werden, tatsächlich auf der Grundlage der von ihnen gelieferten Daten erfolgen.

Wenn eine Schülerdatei geplant ist, dann ist Misstrauen allerdings Pflicht.

[Beifall bei den Grünen –
Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Die Befürchtung ist alles andere als aus der Luft gegriffen, dass Verwaltungen in ihrem Bestreben, möglichst viel zu wissen, die Sensibilität dafür verlieren, dass Sammlungen und Speicherung von Daten einen Eingriff in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern darstellen. Aber Misstrauen allein reicht nicht. Es geht um eine genaue Prüfung. Uns ging es darum, dass die Datei genau auf das beschränkt wird, was für ihre Ziele erforderlich ist. Hier wird nichts gesammelt einfach nur, weil es geht. Hier gibt es auch keine Blankoschecks. Es ist in Berlin so, dass Schulen ihre Personalausstattung auch danach erhalten, wie viele Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache an ihnen lernen und wie viele Kinder wegen der sozialen Situation der Familien von der Zuzahlung zu den Lernmitteln befreit sind. Deswegen braucht man diese Daten für die Ausstattung der Schulen. Aber es ist dafür nicht nötig, in der Schulverwaltung zu wissen, welche Schülerin nichtdeutscher Herkunftssprache und von der Zuzahlung befreit ist. Deshalb ist der Zugriff so begrenzt, dass ein Rückschluss auf eine individuelle Schülerin nicht möglich ist.

Genaue Prüfung ist Pflicht. Aber Legenden nutzen einem Prüfungsprozess, in dem es um Aufklärung geht, nichts. Ein paar davon will ich gleich ausräumen, damit der Blick auf den Kern der Diskussion nicht verstellt wird.

Erstens: Diese Datei ist kein Beitrag für das Vorhaben der Kultusministerkonferenz, eine bundesweite Schülerdatei zu errichten und für jeden Schüler ein Sozialprofil und Bildungsverläufe zu speichern. Im Gegenteil, die dafür notwendigen Daten werden in der Datei nicht erhoben, eine zentrale Speicherung von Bildungsverläufen wird in Berlin dadurch ausgeschlossen. Dass das nötig ist, zeigt die Tatsache, dass die Datenerfassung für die KMK-Datei vor Monaten in Berlin bereits begonnen hatte und erst von Senator Zöllner dankenswerterweise gestoppt wurde.

Zweitens: Alle Daten, die in dieser Datei gespeichert werden sollen, werden bereits jetzt erhoben. Nichts wird zusätzlich dafür erhoben.

Drittens: Es wird nicht möglich sein, dass in der Schulverwaltung oder beim Schulträger ein eifriger Mitarbeiter sich das Profil eines Schülers oder einer Schülerin heraussucht, weil der Zugriff auf die Daten, die besonders sensibel sind, so organisiert werden muss, dass eben gerade kein Rückschluss auf eine konkrete Schülerin, auf einen konkreten Schüler möglich ist. Das ist ausgeschlossen. Ausgeschlossen bedeutet in diesem Zusammenhang nicht einfach, dass eifrige Mitarbeiter sich die Augen zuhalten müssen, weil bestimmte personenidentifizierende Daten nicht angesehen werden dürfen, das wäre in der Tat ein reichlich lebensfremdes Szenario, sondern ausgeschlossen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es tatsächlich unmöglich ist, dass, wenn der eifrige Mitarbeiter seinen Computer anmacht, der komplette Datensatz eines Schülers erscheint.

Viertens: Es werden durch diese Datei nicht die Fehlzeiten von Schülerinnen und Schülern zentral gespeichert, sondern es geht darum zu verhindern, dass ein Kind an der Schulpflicht vorbeirutscht, und Schulpflichtverletzungsverfahren in den Bezirken finden statt.

Fünftens: Es findet kein automatisierter Abgleich mit anderen Behörden, weder mit der Polizei noch mit der Ausländerbehörde statt. Im Gegenteil: Auskünfte an die Ausländerbehörde sind ausgeschlossen. Auskünfte an die Polizei gibt es ausschließlich im Einzelfall.

[Özcan Mutlu (Grüne): Warum denn überhaupt?]

Dort gibt nur die Auskunft, an welcher Schule der Schüler ist, und gegebenenfalls Kontakt zu den Erziehungsberechtigten.

Wir haben mit diesem Gesetzentwurf eine Diskussionsgrundlage. Diese Diskussion ist nicht beendet, auch in unserer Fraktion nicht, wie Sie wissen. Wir werden in einen sehr konzentrierten und gründlichen Beratungsprozess eintreten. Wir werden Betroffene und Experten anhören, selbstverständlich – auch im Ausschuss. In den Beratungen werden wir genau prüfen, ob die Datei und die einzelnen in ihr erfassten Daten dazu beitragen, die Schulorganisation zu verbessern und zu verhindern, dass Kinder der Schulpflicht entzogen werden, ob dieser Beitrag den mit der Datei verbundenen Grundrechtseingriff rechtfertigt und ob die erhobenen Daten und die Zugriffsberechtigung auf das für diesen Beitrag notwendige Maß beschränkt sind. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion]

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