Öffentliche Grundstücke für soziale Stadtentwicklung nutzen

Steffen Zillich

Wir brauchen Mieterschutz. Wir brauchen mehr öffentliches Eigentum, und wir brauchen natürlich Neubau. Wir brauchen nicht irgendwelchen Neubau, sondern Neubau für die Mieterinnen und Mieter, die sich auf dem Wohnungsmarkt nicht frei versorgen können, und das ist eine sehr breite Bevölkerungsschicht.

Rede als Video

21. Sitzung, 25. Januar 2018

Steffen Zillich (LINKE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu dem Geplänkel zur Bewältigung der vergangenen Koalition vielleicht nur so viel: Ich glaube, es wird deutlich, dass es so nicht geht. Ich glaube, es wird deutlich, dass es dieses Hin-und-her-Schieben von Verantwortung, das Sich-gegenseitig-beim-Scheitern-Zuschauen, das die vergangene Koalition bis zur Perfektion kultiviert hat, nicht die Grundlage sein kann, um ein so riesiges Problem, wie das, vor dem wir beim Wohnen stehen, zu bewältigen. Wir wollen und müssen das anders machen.

Auch wenn Herr Czaja nicht genau zu dem Thema geredet hat, das die FDP beantragt hat, möchte ich noch eine Bemerkung zu seinem Redebeitrag machen: Das Problem mit dem bezahlbaren Wohnen in dieser Stadt ist so groß, dass wir alle – ich betone alle – Maßnahmen ergreifen wollen, die in diesem Bereich notwendig sind. Wir werden eins nicht zulassen – was Sie die ganze Zeit getan haben –, nämlich dass die Begrenzung der Mieten, die Verhinderung von Vertreiben und die Erhöhung des öffentlichen Wohnungsbaubestands vehement gegen den natürlich notwendigen Neubau ausgespielt wird. Wir brauchen alles.

Das, was Sie hier betrieben haben, ist nicht nur durchsichtig interessengeleitet, sondern in der Konsequenz auch eine merkwürdige Ansage an die Berliner Mieterinnen und Mieter. Merkwürdig interessengeleitet, weil Sie sagen: Alles, was den Markt zugunsten der Wohnrechte von Mieterinnen und Mieter reguliert, alles, was öffentliches Eigentum als Schutz von Mieterinnen und Mietern aufbaut, wollen wir nicht.

Aber wir wollen alles, was möglichst viel öffentliches Geld in die Branche pumpt. – Da sagen wir: Nein, das kann nicht der Weg sein. Wir brauchen Mieterschutz. Wir brauchen mehr öffentliches Eigentum, und wir brauchen natürlich Neubau.

Wir brauchen nicht irgendwelchen Neubau, sondern Neubau für die Mieterinnen und Mieter, die sich auf dem Wohnungsmarkt nicht frei versorgen können, und das ist eine sehr breite Bevölkerungsschicht. Das gegeneinander auszuspielen, ist kein gutes Signal an die Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt.

– Nein, ich gestatte keine Zwischenfragen. – Wenn wir über das Thema Liegenschaftspolitik reden, dann reicht es nicht, sich das Gebaren eines Behördenchefs auf Bundesebene anzugucken, obwohl auch darüber zu reden sein muss, sondern es ist ein so wichtiges Thema, das in die Lebensrealität vieler eingreift, dass man es breiter aufstellen muss. Und man muss zwei Ebenen unterscheiden: Da ist einmal die Frage, wo mit wir es eigentlich zu tun haben. Was ist das für ein Grundstücksmarkt, und welche politischen Handlungserfordernisse ergeben sich daraus? Und da ist die andere Frage, wie wir selber als öffentliche Hand, als Grundstückseigner damit umgehen.

Wir alle erleben derzeit in Berlin, dass massenweise Geld in Immobilien fließt.

Es gibt eine Spekulation, die Preise hervorbringt, die weit von Verwertungsmöglichkeiten durch Verpachtung und Vermietung entfernt sind. Mit allen Folgen, die wir kennen: Verdrängung von Gewerbe und von Mieterinnen und Mietern, Entfremdung in Quartieren, Bedrohung sozialer und öffentlicher Infrastruktur. Natürlich ist das keine Aufwallung von allgemeiner Schlechtigkeit und auch nicht die Wirkung eines Naturgesetzes.

Das ist – man darf es einmal sagen – Kapitalismus. Da wirken Marktmechanismen. Da ist es schon einmal richtig und wichtig zu sagen: Wir finden es grundsätzlich keine gute Idee, dass ein Gut, das so entscheidend ist für die öffentliche Infrastruktur, die Erbringung öffentlicher Dienstleistung und die Verwirklichung eines elementaren Grundrechtes, wie das Recht auf Wohnen, und das obendrein noch verknappt ist, den ungezügelten Marktbedingungen unterworfen ist. Nein, das ist keine gute Idee.

Denn dieser Markt ist natürlich blind für Ungerechtigkeiten. Er ist blind für öffentliche Bedürfnisse, und er ist blind für demokratische  Entscheidungen. Deswegen muss dieser Markt reguliert werden. Wir wollen diesen Markt regulieren.

Das ist nicht neu, denn er ist ja Rahmenbedingungen unterworfen, die nicht naturgegeben, sondern menschengemacht sind und die auch geändert werden können. Das können wir nicht allein in Berlin, obwohl wir hier einiges getan haben und auch noch tun werden, sondern man muss auf Bundesebene an diesem Rahmen politisch arbeiten. Es ist kein Naturgesetz, dass wir Share-Deals erlauben, dass wir es erlauben, dass man bei Grundstückskäufen, wenn die grundstücksveräußernde Gesellschaft bis zu 95 Prozent veräußert wird, die Besteuerung dieses Deals umgehen kann. Das kann man ändern, und wir wollen das ändern.

Es ist kein Naturgesetz, dass die Steuerbelastung auf den Kauf oder Verkauf alltäglicher Waren und Dienstleistungen bei fast 20 Prozent liegt, wenn man aber Grundstücke kauft oder verkauft, dann haben wir es nur mit rund 5 Prozent zu tun. Diese Situation kann man ändern.

Das ist eine steuerliche Förderung des Grundstückshandels, die in dieser Form nicht sein muss. Es ist auch kein Naturgesetz, dass die Steuerbelastung des Liegenschaftshandels weitestgehend blind ist hinsichtlich der Nutzung des Grundstücks, also für die Frage, was eigentlich darauf passiert. Ist es von öffentlichem Interesse oder ist es nicht von öffentlichem Interesse? Da wird der Kauf eines Grundstücks, um darauf Sozialwohnungen zu bauen, steuerlich genauso behandelt, wie der Kauf eines Hauses zu spekulativen Zwecken, wobei Bewohner und Bewohnerinnen eher stören und herausgeekelt werden. Das kann man ändern, das ist kein Naturgesetz. Wir haben uns als Koalition verabredet, hierzu auf Bundesebene wirksam zu werden. Wir müssen da liefern, und wir wollen da auch liefern. Denn natürlich ist es richtig, dass genau diese Auseinandersetzungen wichtig sind für das, was wir hier in Berlin erreichen können, und auch für die Bundesrepublik insgesamt.

Es gibt Möglichkeiten, dies zu tun, zum Beispiel durch die Wohnungsgemeinnützigkeit, die man wieder einführen kann, zum Beispiel durch differenzierte Steuersätze. Es gibt Überlegungen, für die man bundesrechtlich einen Rahmen schaffen kann, zum Beispiel dadurch, dass man die Stundung von Grunderwerbsteuer an bestimmte öffentlich gewollte Auflagen knüpft. All das kann man tun, wenn man die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür hat.

Natürlich wollen wir auch in Berlin die Möglichkeiten, die wir als Land, als  Kommune haben, nutzen, um regulativ auf diesen Markt einzuwirken. Das betrifft das Bau- und Planungsrecht. Da tun wir es. Das betrifft die Ausweisung von sozialen Erhaltungsgebieten, das betrifft die Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und das betrifft natürlich auch die konsequente Nutzung des kommunalen Vorkaufsrechts.

Selbstverständlich ist das ein Instrument, das wir nutzen wollen, das wir stärker nutzen wollen als wir es bisher schon genutzt haben, um insbesondere den Erhalt bezahlbaren Wohnraums und die Verhinderung der Verdrängung von Mieterinnen und Mietern  zu gewährleisten. Es hat sich schon jetzt gezeigt, dass es durchaus ein erfolgreicher Weg ist.

Der andere Punkt ist: Wie gehen wir in Berlin als öffentliche Hand als Grundstückseigentümer vor? – Da gibt es in Berlin eine Entwicklung, zweifellos. Wir alle erinnern uns an die Situation der Haushaltsnotlage, in der wir auch mit Grundstücksveräußerungen dazu beigetragen haben, das Land zu sanieren, und wo wir sicherlich vieles verkauft haben, von dem wir heute denken, dass wir es lieber nicht verkauft hätten und es zum Teil tatsächlich zu weit höheren Preisen wieder zurückkaufen. Dieser Prozess ist beendet worden. Er ist beendet worden beginnend in der vorherigen Koalition. Wir sind uns, glaube ich, inzwischen weitgehend einig – ich weiß nicht, wie es die FDP und die AfD sehen –, dass man öffentliche Liegenschaften langfristig sichern muss und dass man möglichst Transparenz schaffen muss, wie sie genutzt werden.

Das ist ein schwieriger Prozess. Der ist auch noch nicht beendet. Natürlich müssen wir die öffentlichen Liegenschaften clustern.

Hier auch ein Wort zur wohnungspolitischen Debatte: Selbstverständlich ist es ein wichtiger Punkt, öffentliche Liegenschaften für Wohnungsbau auszumachen. Wenn Wohnungsbaupotenziale erschlossen worden sind, bisher benannt worden sind, man nun vor dem Befund steht, dass ein Bezirk der Auffassung ist: Da muss vielleicht auch eine Schule hin. –, dann ist das doch nicht das Blockieren von Wohnungsbau, sondern dann ist das das Umsetzen von vernünftigen Planungsbedingungen für neue Quartiere. Das ist doch richtig, dass wir das mitdenken!

Natürlich gibt es diese Flächenkonkurrenzen. Wir dürfen nur nicht zulassen, dass sie uns blockieren, sondern wir müssen sie sozusagen im Sinne der vernünftigen Entwicklung von Wohngebieten und im Sinne der Entwicklung von sozialer Infrastruktur endlich nach vorn bringen und weiterentwickeln.

Es ist absolut richtig, dass – damit komme ich zum letzten Punkt – das, was bei der BImA passiert, etwas ist, was man so nicht akzeptieren kann. Da ist einerseits das Gebaren des Chefs. Wenn ein Behördenchef, ein Chef einer öffentlichen Behörde sagt: Die demokratisch legitimierten Instanzen, die ein Genehmigungsrecht haben von Geschäften, die ich abwickle, wenn die das wahrnehmen, dann tun die das rechtsmissbräuchlich und dürfen es, bitte schön, nicht tun. –, dann hat er seine eigene Rolle als Behördenchef und als Sachwalter öffentlichen Eigentums nicht verstanden, sondern ist so ein kleiner Privatkönig. Das kann man natürlich nicht akzeptieren.

Aber darüber hinaus geht es natürlich darum – wir sind sehr gespannt, was jetzt auf Bundesebene herauskommt –, dass man die gesetzlichen Grundlagen und den Auftrag der BImA verändert, damit sie sich verhält wie jemand, der dem Gemeinwohl verpflichtet ist – das bedeutet nicht nur der Bundeskasse, sondern auch der Lebensbedingungen der Menschen dort, wo die Grundstücke sind. – Danke schön!

Präsident Ralf Wieland:

Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt der Kollege Czaja von der FDP-Fraktion noch einmal das Wort.

Sebastian Czaja (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Zillich! Sie hätten mir genauer zuhören müssen.

Ich habe von einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gesprochen. Die Wohnungsnot in dieser Stadt ist immens, der Mietendruck in dieser Stadt ist immens. Wir als Freie Demokraten wollen Privat und Staat. Sie aber wollen nur Staat, das ist das Problem, was wir haben. Das ist genau das Problem in dieser Stadt. Erklären Sie doch den Berlinerinnen und Berlinern, weshalb Sie keine Wohnungen am Thälmannpark realisieren, weshalb Sie am Westkreuz die Wohnungen verhindern. Überall dort, wo Mietwohnungen entstehen sollen, insbesondere am Thälmannpark, wo es um 600 Wohneinheiten geht, wo Sie nicht den Bezirk unterstützen, wo es keine gemeinsame Kraftanstrengung gibt, überall dort sorgen Sie dafür, dass der Markt verknappt wird und die Mieten bewusst teuer werden in dieser Stadt. Das nehmen Sie billigend in Kauf. Das haben Sie nicht geschafft, heute auszuräumen. Das will ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen.

Präsident Ralf Wieland:

Herr Zillich zur Erwiderung – bitte schön!

Steffen Zillich (LINKE):

Na ja, Herr Czaja! Es war so eine Sache mit Ihrer Rede. Ich wollte an einer Stelle eine Zwischenfrage stellen, wo Sie neben viel ideologischen Kram vor allen Dingen einen konkreten Vorwurf geäußert haben. Der Vorwurf lautete: Wir würden nicht zugreifen, wenn es irgendwo Baugrundstücke gibt. Das haben Sie behauptet, nicht belegt. Es würde mich interessieren, woher Sie das wissen. Dann müssen wir mal gucken, inwieweit wir mit unserer Liegenschaftspolitik dort dann zuschlagen.

Aber der Punkt ist doch – und dabei bleibe ich –, es geht nicht nur um die Frage Privat oder Staat, sondern es geht um die Frage, einfach nur Angebotserweiterung, um in Ihrem Sprech zu bleiben, oder auch Verwertungsbeschränkung zugunsten von Mieterinnen und Mietern. Ja, ich will Verwertungsbeschränkungen zugunsten von Mieterinnen und Mietern!

Wenn Sie das ablehnen, dann lehnen Sie einen ganz zentralen Punkt zur Bekämpfung von Verdrängung und zugunsten der Mieterinnen und Mieter ab.